Tiere im Verkehr – ein Wildunfall und seine Herausforderungen
Unfälle mit Tieren gehören im Strassenverkehr leider zur Tagesordnung. Jedes Jahr kommen auf Schweizer Strassen mehrere zehntausend Tiere wie Rotwild, Rehe, Füchse, Dachse, Marder, Igel und Amphibien um – oft auf qualvolle Weise. Die Dunkelziffer vor allem bei Unfällen mit Wildtieren ist aus verschiedenen Gründen recht hoch.
Gemäss Strassenverkehrsgesetz (SVG) sind Kollisionen mit Tieren (auch Wildtiere) meldepflichtig. Das heisst: Die Polizei ist unverzüglich zu benachrichtigen. Gelegentlich kommt es zur direkten Benachrichtigung des mit jagdpolizeilichen Funktionen betrauten Wildhüters oder eines Jagdaufsehers. Der Grund ist, dass angefahrene Wildtiere, sofern sie nicht sofort tot sind, in der Regel die Flucht ergreifen. Später verenden sie je nach Art und Schwere ihrer Verletzung irgendwo qualvoll. Darum ist neben der Schadensregelung mit der Versicherung wichtig, dass die Polizei, der Wildhüter oder der Jagdaufseher die Nachsuche nach dem angefahrenen und verletzten Tier organisieren können, damit das Tier professionell versorgt wird oder von seinem Leiden erlöst werden kann.
Wer einen Wildunfall vertuscht oder verspätet meldet, kommt mit dem Gesetz in Konflikt. Neben dem Strassenverkehrsgesetz (SVG) ist zudem die Tierschutzgesetzgebung zu beachten, welche für fehlbare Automobilisten sowohl strafrechtliche Folgen als auch administrative Massnahmen im SVG zur Folge haben können.
Unter Umständen kommt es auch zu Problemen mit der Autoversicherung. Die Teil- oder Vollkaskoversicherung vergütet Wildtierschäden in der Regel nur dann, wenn die Kollision mit Reh, Hirsch oder Fuchs amtlich dokumentiert ist. Ein offizielles Schadensprotokoll stellen Polizei, Wildhüter oder private Jagdaufseher aus.
Wie sieht die Praxis im Kanton St.Gallen aus?
Wildunfälle sollen der Notrufzentrale 117 (KNZ) in St.Gallen gemeldet werden. Je nach Fall wird eine Polizeipatrouille, der Wildhüter (v.a. auf Nationalstrassen und in Nichtjagdgebieten) oder der Jagdaufseher des betroffenen Jagdreviers aufgeboten. In der Umsetzung bedeutet das: Der Polizist, der Wildhüter oder der Jagdaufseher, dem der Fall anvertraut worden ist, ist für die Fallbearbeitung zuständig. Dabei geht es nicht nur um das Erstellen des Schadensprotokolls zuhanden der Versicherung, sondern auch um das Tier. Vielleicht ist es verletzt und muss nachgesucht werden. Sollte das Tier tot sein, gilt die Aufmerksamkeit der fachgerechten Entsorgung. Nach diesen zum Teil aufwändigen und zeitraubenden Arbeiten soll eine Rückmeldung bzw. Erledigungsmeldung an den „Auftraggeber“ (KNZ St.Gallen) erfolgen.
Herausforderungen
Es zeigt sich, dass die Bearbeitung eines Wildunfalles sowohl für Polizei und Wildhüter als auch für private Jagdaufseher – vor allem hinsichtlich ihrer Befugnisse – eine grosse Herausforderung darstellt. In der Praxis verfügen private Jagdaufseher über hohe Kompetenzen im Bereich „Wild“ und dessen Verhalten, oftmals stehen sie aber vor folgenden Fragen:
- Darf oder soll ich als privater Jagdaufseher für die Erledigung der Schadenmeldung, beispielsweise Papiere, Führer- und Fahrzeugausweis des Fahrzeuglenkers, verlangen?
- Wie verhalte ich mich, wenn zusätzlich die Fahrtauglichkeit des Lenkers in Frage gestellt wird?
- Was unternehme ich, wenn ich mit zweifelhaften Unfallschilderungen konfrontiert werde?
- Wie gehe ich mit schwierigen Beteiligten oder mit Emotionen in der Öffentlichkeit um?
Ich vertrete die Haltung, dass sowohl Polizei bzw. Wildhüter als auch private Jagdaufseher eine Schadensmeldung nur dann korrekt erledigten können, wenn ihnen die dafür nötigen Unterlagen vorliegen. In der Konsequenz gehört dazu die Frage nach den Papieren. „Darf ich ihre Ausweise sehen, damit ich das Unfallprotokoll richtig ausfülle?“, kann für private Jagdaufseher ein mögliches Vorgehen sein. In Anbetracht des Umstandes, dass der Unfallbeteiligte etwas von uns will (Bestätigung für die Versicherung), dürfte die Erhebung der Angaben anhand der verlangten Papiere unproblematisch sein. Sollten trotzdem Probleme auftreten oder Zweifel aufkommen, beispielsweise an der Fahrfähigkeit, am technischen Zustand des Fahrzeuges oder an allenfalls nicht plausiblen Schilderungen des Unfallherganges, ist es ratsam – sogar zwingend –, die Polizei beizuziehen.
Zusammenarbeit und Kommunikation
Die Polizei ist auf die gute Zusammenarbeit und eine gute Kommunikation mit Wildhütern und privaten Jagdaufsehern angewiesen. Ich darf aus meiner Sicht feststellen, dass vor allem die operationelle Zusammenarbeit in der Alarmierung gut funktioniert. Im Bereich „Auftragserledigung und Rückmeldung“ ist es Pflicht der Polizei und der Wildhüter eine Rück- oder Statusmeldung zu machen. Private Jagdaufseher sind sich dieser „Rückmeldepflicht“ weniger bis gar nicht bewusst. Die Polizei ist aber sehr dankbar, wenn eine kurze Erledigungsmeldung an die KNZ St.Gallen erfolgt.
Namens der Polizei danke ich für den wertvollen Einsatz zum Wohle von Mensch und Tier.
Valentin Aggeler